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Awards zu gewinnen, und zwar mehr als die Konkurrenz, das war für viele Kreative das Salz in der Suppe. Ruhm und Ehre für junge Menschen, wie sie in der Werbung ja der Normalfall sind, verliehen von Göttinnen und Göttern des kreativen Olymps – wessen Traum ist das nicht? Einen deutlichen Riss bekam dieses Bild 2020 mit Corona. Wettbewerbe konnten in gewohnter Form nicht mehr stattfinden, Awardgewinne verloren an Zugkraft. Es braucht halt die große Bühne, was die recht klägliche Veranstaltung der diesjährigen ADC-Awardshow bewies. Mit dem Ego der Kreativen hängt zusammen, dass Agenturen das Awardthema für ihr Mitarbeitermarketing nutzen. Steht eine Agentur weit oben im Ranking der Awardgewinner, so sendet sie die Botschaft aus: Seht her liebe Jobsuchenden und Wechselwilligen, bei uns kannst du dich kreativ austoben und musst nicht (nur) Werbung runterschrubben!

Auch dieses Bild aus dem Mitarbeitermarketing hat einen Riss bekommen. Das tat Agenturinhaber Raphael Brinkert neulich auf LinkedIn kund, seiner Ansicht nach verlieren Awards seit Jahren „massiv an Wert“ und führt als Grund die inflationäre Zunahme an Kategorien bei den Kreativwettbewerben an. Für Brinkert gehört die ablehnende Haltung aber auch zum Konzept seiner Agentur. Er arbeitete vor seiner Selbständigkeit bei Scholz & Friends und Jung von Matt. Zwei Agenturen, die zu den eifrigsten Teilnehmern bei Wettbewerben zählen. Insofern kennt er das Awardbusiness - auch mit seinen Auswüchsen der Goldideen und hohen Kosten. Und als Jungunternehmer hat er sich entschieden, bei Wettbewerben nicht teilzunehmen.

> „Herzensprojekte sind eine Initiative, die den Kolleg:innen Raum gibt, ihre eigenen kreativen Projekte eigenverantwortlich umzusetzen.“
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> Theresa Hilbk, Director People & Culture bei Zum Goldenen Hirschen

Ebenfalls bei Jung von Matt arbeitete Lindsay Jönsson. Dort lernte er auch den Awardzirkus kennen. Auch er ist mit der Berliner Kreativagentur Noga Jungunternehmer und kann sich hohe Teilnahmegebühren für Kreativwettbewerbe nicht wirklich leisten. Unabhängig davon sieht er das Awardthema nicht mehr als Argument im Mitarbeitermarketing. Gerade bei jüngeren Mitarbeitern sind heute andere Aspekte ausschlaggebend. Jönsson sagt, dass heute als starke Perspektive vor allem der Freiraum für Selbstverwirklichung, eine flexible Arbeitsgestaltung und Vergütung mehr zähle. Zudem habe sich durch Corona der Drang nach Prestige etwas zurück verlagert. "Oberflächlichkeiten sind in den Hintergrund getreten, weil sich das Bewusstsein verstärkt hat, dass nichts selbstverständlich ist", so Jönsson. Außerdem bekommen Werber für gute Arbeiten hohe Sichtbarkeit auf Social Media-Kanälen. „Zu guter Letzt ist die Branche mittlerweile so schnelllebig geworden, dass ein Award nach zwei Wochen nur noch herzlich wenig Leute interessiert.“

##### Wertschätzung, Sinn, Sichtbarkeit, Flexibilität

Schaut man zehn Jahre zurück, so galt als Maxime für viele Imagepunkte einer Agentur: große Kreativkunden und viele Kreativpreise. So auch bei der Hamburger Agentur Kolle Rebbe, die nach der kompletten Integration in den Accenture-Konzern seit Juli unter Accenture Song firmiert. Heute aber zählen laut Thomas Knüwer, Creative Managing Director, Wertschätzung, Sinn und Sichtbarkeit: „Habe ich das Gefühl, wichtig zu sein, einen Unterschied zu machen, mich einbringen zu können? Sichtbarkeit der Arbeiten, die wir veröffentlichen. Bewegen sie etwas, sind sie kulturell relevant, habe ich Bock, sie selbst zu teilen? Das Streben nach kreativer Exzellenz war nie wichtiger als in unserer Zeit des medialen Grundrauschens." Und auch Flexibilität gehöre dazu, sagt er. Wann, wo und wie jemand arbeitet, aber ebenfalls im Denken: "Die Bereitschaft zu experimentieren, neue Einflüsse und Ideen explizit willkommen zu heißen.“ All das könne sich in Ideen äußern, die Awards gewinnen. Oder in Ideen, die auf TikTok durch die Decke gehen.

*v.l.: Thomas Knüwer von Accenture Song, Sebastian Galla von Brandneo und Alexander El-Meligi von Demodern* (*zum Vergrößern anklicken) – Fotos: Unternehmen*

![](https://wp.meedia.de/wp-content/uploads/2022/08/knüwer__galla__El-meligi_2340x1316_cr_accenture_brandneo_demodern.jpg)

Für Sebastian Galla, Geschäftsführer der 2019 gegründeten Werbeagentur Brandneo, sind die wichtigen Aspekte von Bewerbern, in einem Umfeld zu arbeiten, das „Sicherheit, persönliche Entfaltung und eine Kultur bietet, die Zusammenarbeit fördert“. Laut Galla müsse sich im Jahr 2022 jeder Inhaber vergegenwärtigen, dass „Stabilität zwischen Pandemie, Wirtschaftskrise und Krieg das höchste Gut ist“. Nach seinen Worten hat Brandneo keine Probleme damit, neue Mitarbeiter zu finden. Der Grund: Dank der Social Media-Kanäle von Agentur Boomer, wo es um Memes aus dem Agenturalltag und der Online-Marketing-Kultur geht, und der eigenen Jobbörse Boomerjobs.de habe die Agentur einen direkten Draht zur Zielgruppe.

Peter Schönherr von Noga wiederum führt als wichtiges Kriterium für Zufriedenheit im Arbeitsalltag die Möglichkeit zur Mitgestaltung an. Er ist Creative Director Art bei der Agentur und will von der Konzeption über Präsentation bis hin zur finalen Umsetzung involviert sein. Am Ende wolle er „auch wirklich noch etwas“ von der eigenen Handschrift und Vision. „Mitgestaltung sollte nicht mit Photoshop enden. Und die Möglichkeit, auch bei Themen wie Culture, Positionierung und Außendarstellung involviert zu sein, ist mir im Gegensatz zu meinen ersten Jahren sehr viel wichtiger geworden. Der zweite Punkt ist eigentlich super simpel. Respekt. Im allgemeinen Umgang miteinander, vor meiner Arbeit, meiner Arbeitszeit und der meinen Kollegen:innen.“

*Christoph Nann von Carl Nann und Theresa Hilbk von Zum Goldenen Hirschen (zum Vergrößern anklicken) – Fotos: Unternehmen*

![Christoph Nann Theresa Hilbk](https://wp.meedia.de/wp-content/uploads/2022/08/Nann__Hilbk_2340x1316_cr_CarlNann_zum-goldenen-Hirschen.jpg)

##### Diese Rolle spielen Awards heute

Bei der Hamburger Kreativagentur Carl Nann und der Kölner Digitalagentur Demodern glaubt man unverändert an die Kraft von Awards, um für Mitarbeiter interessant und sichtbar zu sein. Aber Alexander El-Meligi, CEO von Demodern, macht den tatsächlichen Awardeffekt davon abhängig, wie der tägliche Job real aussieht: „Leider sieht man noch zu oft reine Awardprojekte, die nur erfunden wurden, um an Awards teilzunehmen. Es bringt ja nichts, sich als Agentur Kreativität auf die Fahnen zu schreiben, wenn man dieses Versprechen nicht halten kann.“ Jungen Talenten und erfahrenen Mitarbeitern sei es heute sehr wichtig, dass sie ihre Skills in täglichen Projekten beweisen können. „Stellt das Awardprojekt nicht die Ausnahme dar und wird eine kreative Arbeitskultur im Alltag wirklich gelebt, so glaube ich, können Preise und Awards diese Kultur antreiben und beflügeln", so El-Meligi.

Christoph Nann von der Agentur Carl Nann schränkt ein, dass Awards „natürlich ein bisschen an Bedeutung verloren“ haben. In Bewerbungsgesprächen stelle er immer wieder fest, wie wichtig ein Umfeld ist, wo alle gedeihen und gerne sowie respektvoll miteinander arbeiten können. „Interessant finde ich aber schon auch, dass junge Kreative neben einem gesunden Arbeitsumfeld und vielen Freiheiten durchaus Ambitionen haben. Sie wollen gute Arbeit machen.“

![](https://wp.meedia.de/wp-content/uploads/2022/08/Peter_Schnherr_01.jpg)
**Peter Schönherr**, CD Art bei Noga: "Mitgestaltung sollte nicht mit Photoshop enden."

Bei Wettbewerben reiche Nann - und sein Co-Inhaber Michael Carl – „nur echte Arbeiten für echte Kunden“ ein. Beiden sei wichtig, dass es keine Extra-Agenda im Team gibt: „Wir arbeiten hart am kreativen Produkt – aber immer und ausschließlich im Sinne der Marken unserer Kunden.“ Bei den Cannes Lions waren in diesem Jahr vier Mitarbeiter vor Ort. Sie kamen „wirklich sehr inspiriert und begeistert“ zurück.

Demodern reicht Arbeiten bei Wettbewerben „sehr“ reduziert und fokussiert ein. Eine deutliche Steigerung der Einreichungen würde nur begrenzt weiterhelfen: „Von uns sind weitestgehend nur Netzwerke oder große Agenturgruppen vertreten. Auf diesem Weg schaffen wir es, ökonomisch dauerhaft sichtbar zu sein.“

Auch bei Accenture Song ist ein Vorgehen nach dem Motto „weniger ist mehr“ rauszuhören. Creative Managing Director Knüwer reicht nach eigenen Worten „längst nicht mehr bei jedem Award“ ein. Und die Liste werde in Zukunft noch weiter reduziert, man könne sie an einer Hand abzählen. Und nennt auch genau fünf, die für ihn beziehungsweise Accenture Song wichtig sind: Cannes Lions, D&AD, One Show, ADC und Effie.

Galla von der jungen Agentur Brandneo ist nicht auf der Brinkert-Linie, Award-Teilnahmen abzulehnen. Galla freut sich über gute Kommunikation bei Awards: „Das ist immer auch Inspiration und Anspruch, besser zu werden. Hohe Kreativität ist eine starke Leistung, die auch gewürdigt werden darf.“ Ihn begeistert der ADC am meisten, da er selbst aus der Kreation komme und die Kombination aus Handwerk und Idee bei dem Wettbewerb einen „sehr hohen“ Stellenwert habe.

##### No-Award-Haltung seit mehr als Vierteljahrhundert

Die Werbeagentur Zum goldenen Hirschen bleibt seit jeher, also ihrer Gründung Mitte der 1990er-Jahre, Kreativwettbewerben fern. Die drei damaligen Gründer legten den Grundstein für eine Agentur, die heute an mehreren Standorten in Deutschland Büros hat und etwa 380 Mitarbeiter beschäftigt. Zudem war die Agentur die Basis für die heutige Hirschen Group, zu der diverse Agenturmarken mit insgesamt knapp 1.000 Mitarbeitern gehören. So schlecht kann die Award-Abstinenz fürs Business also nicht sein.

> „Gute Kommunikation bei Awards ist immer auch Inspiration und Anspruch, besser zu werden. Hohe Kreativität ist eine starke Leistung, die auch gewürdigt werden darf.“
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> Sebastian Galla, Geschäftsführer von Brandneo

Laut Theresa Hilbk, Director People & Culture bei Zum goldenen Hirschen, stehen heute im Fokus der Mitarbeiter Arbeitskultur, Tätigkeitsschwerpunkte von Agenturen und für welche Branchen und Unternehmen gearbeitet wird. Hilbk sagt: „Mitarbeitende wollen als Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen zur persönlichen Weiterentwicklung betrachtet werden, nicht rein als Arbeitskraft." In der Agentur erhalten die Mitarbeiter zum Beispiel die Möglichkeit, ein persönliches Herzensprojekt zu realisieren, erzählt sie. "Herzensprojekte sind eine Initiative, die den Kolleg:innen Raum gibt, ihre eigenen kreativen Projekte eigenverantwortlich umzusetzen. Sie fördern Sinnhaftigkeit, Selbstwirksamkeit und eigenverantwortliches Arbeiten.“

Die Arbeit von Herzen gern machen - welche Agentur würde das nicht hören wollen von ihren Mitarbeitern?

Ziehen Awards etwa keine Talente mehr an?