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**Ich habe die Zukunft des Journalismus gesehen – und sie heißt GPT**. So habe ich vorgestern [meinen Kommentar](https://www.meedia.de/medien/chatgpt-wahnsinn-unser-job-auf-der-erde-ist-bald-getan-1fbbfeeaee64b54a36f12760172866a0) zum Hype um die vermeintliche Wunder-KI in den sozialen Netzwerken angeteast und erst mal den zu erwartenden Widerspruch geerntet. Allein für Recherche, Interviews, den Anstoß zur Story brauche es doch kreative Köpfen, war zu lesen. *Fair enough*. Die reine Textarbeit wird in Zukunft aber immer öfter von der KI kommen – bereits heute kann ChatGPT Artikel in 30 Sekunden schreiben, für die [Freelancer sonst 500 Euro berechnen](https://www.theguardian.com/commentisfree/2023/jan/24/chatgpt-artificial-intelligence-jobs-economy).

Vor allem ist das ChatGPT, das heute für den maximalen Hype sorgt, erst der Anfang der KI-Revolution. Wenn ChatGPT in der aktuellen Version 3.5 **der „iPhone-Moment“ der Künstlichen Intelligenz** ist, dann sollten wir uns daran zurückerinnern, wie extrem unausgereift das erste iPhone im Vergleich zum heutigen war – das meiste, worin das iPhone 14 dem Original-iPhone ähnelt, ist das Design.

Bereits ein Jahr nach dem Launch bekam Apples heutiges Kultsmartphone ein ganz maßgebliches Update in Form des neuen Mobilfunkstandards 3G und vor allem des App Stores. Wieder zwei Jahre später veröffentlichte Apple mit dem iPhone 4 den bis heute größten Designsprung seiner Smartphones. Schnellvorlauf um mehr als eine Dekade in die Echtzeit: Das iPhone ist so omnipräsent in unserem Leben geworden, dass ich mich bei 80-Kilometer-Radtouren ins Nichts (fast immer) darauf verlassen kann, welche bestmögliche Route Google Maps für mich ausspuckt oder ich minutengenau sehe, wann unser Sohn in der Kita eingecheckt hat – vor 15 Jahren eine ziemlich futuristische Vorstellung.

So – und noch steiler – wird die Lern- und Adaptionskurve auch mit KIs wie ChatGPT ausfallen. Was ChatGPT (oder andere KIs) heute noch nicht können, werden sie in drei oder fünf Jahren können. Irgendwann – vermutlich schneller als wir glauben –, wird ChatGPT oder Googles oder Metas Antwort darauf, auch über Echtzeitwissen verfügen. Und irgendwann wird eine KI, gefüttert mit meinen tausenden Texten aus der Vergangenheit, auch den eigenen Stil so weit nachahmen können, dass man kaum mehr einen Unterschied zur eigenen Schreibe erkennt.

Welche (un-)mittelbaren Konsequenzen hat der KI-Durchbruch in ökonomischer Hinsicht? Zunächst einmal entsteht eine Reihe von Verlierern, zu denen auch Journalisten gehören, so wie unsere Zunft immer in den vergangenen zweieinhalb Dekaden mit der Verbreitung des Internets verloren hat. Ob die Niederlage darin besteht, dass Journalisten in Zukunft eher zu Content-Moderatoren degradiert werden, sofern sie noch gebraucht werden, muss jeder selbst für sich bewerten – nicht jeder angehende Journalist hat anno 2023 schließlich noch den Ehrgeiz, zu einem zweiten Bob Woodward oder Carl Bernstein zu werden.

**In eine noch prekärere Lage dürften unterdessen Copywriter in der Werbe- und PR-Branche geraten**, deren Arbeit nicht von der Aktualität und Individualität einer Personality lebt, sondern — im Wortsinne – schlicht austauschbar ist. Hier dürften – wie bei Grafikern durch Bild-Generatoren-KIs – in Zukunft erhebliche Arbeitsplatzverluste zu beklagen sein.

Im größeren Kontext gedacht **sind Nachrichtenagenturen**, deren Geschäft weniger von Schönschreiberei, als von den knallharten und vor allem blitzaktuellen News lebt, **herausgefordert**. Bereits heute wird etwa bei Quartalsbilanzen von Unternehmen oder bei Sportergebnissen mit Roboterjournalismus experimentiert. Bloomberg, Reuters oder die DPA müssen sich der neuen Herausforderung stellen – oder werden irgendwann an Relevanz verlieren.

Der Journalismus jedoch, so wichtig wir ihn nehmen, belegt im großen Ganzen der KI-Umwälzungen nicht mehr als eine Nischen. **Der wahre Verdrängungswettbewerb spielt sich im Big-Tech-Segment ab**: Im Wettkampf der Systeme zwischen den GAFAMs. [Microsofts erneutes Milliardeninvestment in OpenAI](https://www.meedia.de/marken/microsoft-steckt-weitere-milliarden-in-chatgpt-entwickler-openai-8ac0c1c8f0c46d60a2eb6906a457d321) ist ein echter Coup, der vor allem Google unter Druck setzt.

Die Billionen-Dollar-Frage, die im Raum steht, lautet: Warum hat der Internetpionier, dessen Geschäftsmodell bei der Suche in 25 Jahren nie infrage gestellt wurde, nicht vorgelegt? Dass alle Welt plötzlich über den Siegeszug der Text- und Bild-KIs spricht und diese nicht aus der Alphabet-Zentrale in Mountain View stammen, sondern vom Startup OpenAI, das einst von Elon Musk gegründet wurde und über das nun Microsoft die strategische Hoheit besitzt, dürfte den wertvollsten Internetkonzern der Welt beschäftigen. Tatsächlich scheint die Alarmstufe sogar auf "Rot" umgesprungen, denn [wie die "New York Times" berichtet](https://www.nytimes.com/2023/01/20/technology/google-chatgpt-artificial-intelligence.html), sollen die Gründer Sergey Brin und Larry Page auf den Campus zurückgekehrt sein, um die eigenen AI-Bemühungen voranzutreiben.

"**Dies ist ein Moment erheblicher Verwundbarkeit für Google**", wird Googles früher Forschungsdirektor D. Sivakumar bei NYT zitiert. "ChatGPT hat einen Pflock in den Boden geschlagen und damit deutlich gemacht: 'So könnte ein überzeugendes neues Sucherlebnis aussehen‘", wird Sivakumar deutlich. Der Grund, warum sich Google aber auch Meta beim Rollout ihrer KI-Systeme vom Schlage **ChatGPT, DALL-E 2 oder Midjourney** noch Zeit lassen, dürfte an der möglichen Fallhöhe liegen. Meta-AI-Chef Yann Lecun erklärte vor wenigen Tagen, dass Nutzer auch vom Facebook-Konzern und Google ähnliche KI-Lösungen erwarten könnten. Warum nicht jetzt? „**Google und Meta haben beide viel zu verlieren, wenn sie Systeme herausbringen, die Dinge erfinden**“, erklärte Lecun.

Hierin besteht der feine Unterschied zwischen der offenkundigen Beta-Variante ChatGPT, auf deren Fehleranfälligkeit in der aktuellen Version OpenAI-CEO Sam Altman immer wieder hinweist, und am Ende komplett ausgereiften KIs ohne Fehlertoleranz, wie sie von Google und Meta erwartet werden, weil es sich um deren Kernkompetenz handelt. So oder so: Der Druck auf die beiden Internetgiganten wächst – zeitlich durch OpenAIs Vorpreschen und in der Sache sowieso.

Microsoft indes hat für den Moment alles richtig gemacht: Für ein paar Milliarden Dollar hat sich der Softwarepionier an die Spitze des Hype-Zyklus gesetzt, ohne irgendetwas zu riskieren. Geht die ChatGPT-Wette schief, liegt der Fehler bei OpenAI, nicht bei Satya Nadella, der sich lediglich dafür entschieden hat, einen Moonshot mitzufinanzieren. Sein großer Pluspunkt: im Gegensatz zu den Wirren des Metaverse ist das Wettobjekt ChatGPT für jeden von Tag eins an greif- und nutzbar.

##### **+++ One more Thing: Wer will Apples Datenbrille für 3.000 Dollar? +++**

Würde ChatGPT die Berichterstattung aktuell nicht komplett überlagern, würde eine Meldung wie diese den News Cycle normalerweise über Wochen füllen, ist doch klar, dass hinter [einem Report von Apple-Alleswisser Mark Gurman bei Bloomberg](https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-01-23/apple-reality-pro-details-eye-hand-tracking-app-store-3d-ios-like-interface) am Ende harte Fakten stecken, die nur mit dem Wohlwollen Cupertinos durchgestochen wurden. So berichtete Gurman, der schon als Mitgründer des Blogs "9to5Mac" vor mehr als einer Dekade an Vertraulichkeiten wie höchstens Ming-Chi Kuo auf der anderen Seite der Lieferkette herankam, am Montag in aller Ausführlichkeit über Apples kommendes „One more Thing“, die seit Jahren mit Spannung erwartete VR- und AR-Brille.

Einen Namen soll das gute Stück auch schon haben, das demnach als **Reality Pro** auf den Markt kommen soll. Und das mit Apple-typischem Preisschild von 3.000 Dollar! Sieben Jahre habe Apples 1.000 Mitarbeiter starke AR/VR-Unit am dem Gerät gearbeitet, das Nutzern ein 3D-Erlebnis des bekannten iOS-Betriebssystems geben soll. Gesteuert werden soll die Datenbrille durch Bewegungen von Händen und Augen; als Hauptanwendungsszenarien werden u.a. neue Videokonferenz-Möglichkeiten gesehen.

Die Produktion werde im Februar bzw. März in China starten und die Datenbrille bereits im Frühjahr vorgestellt werden, berichtet Gurman, obwohl sich der Termin auch bis zur WWDC im Juni verzögern könne, was nach einem wahrscheinlicheren Szenario klingt. Deutsche Apple-Fans müssen wohl tapfer sein (oder ein Flugticket buchen): Reality Pro soll nach dem Bloomberg-Bericht zunächst nur in den USA in den Handel kommen. Ende 2024 bzw. 2025 könnten massenmarkttaugliche Versionen zum halben Preis veröffentlicht werden, heißt es weiter.

Meine Einschätzung: Ich kann mir nicht helfen, aber das klingt nicht nach einem Apple-typischen Launch, sondern nach einem Himmelfahrtskommando. In dieser Form – zum genannten Verkaufspreis bei gleichzeitiger Limitierung auf den US-Markt – läuft Apples Datenbrille Gefahr, zu einem Flop in der Tradition des Newton zu werden.

Die (viel) Älteren werden sich erinnern: 1993 stellte Apple in den dunklen Jahren ohne Steve Jobs’ Führung den Personal Assistant Newton vor, ohne dass der Markt dafür vorhanden war. Er war seiner Zeit schlicht voraus, floppte schwer, während die Lorbeeren ein paar Jahre später Palm mit seinem Pilot einheimsen sollte. Wiederholt sich die Geschichte mit Reality Pro? Wir haben ein ganzes Jahr Zeit für Spekulationen.

Bis nächste Woche!

Die Verlierer und Gewinner der ChatGPT-Revolution